Holger Herrmann liebt gotische Malerei über alles. Und genau diesen Effekt schafft er mit seinen
Tafelbildern, die wie vergessene Abbilder in abgelegenen Nischen von Kathedralen auf bischöfliche oder bürgerliche Spender verweisen, welche diese Pracht des Gebäudes überhaupt erst ermöglichten, aber sie selbst in bescheidener Zurückhaltung als ‚ästhetische Fußnote’ nur Erwähnung finden wollten.

Mit seiner jetzigen Arbeitsweise sich zu beschäftigen, heißt, sich auf Gefühle des Sakralen einzulassen. Neuerdings bricht Holger Herrmann aus seiner realistischen Malerei in heterogene, abstrakte Kunstformen. Er drapiert seine Gemälde mit Stangen, umrahmt sie mit monochromen Bildflächen, richtet einen Raum mit unterschiedlichsten Bildelementen zu einer Art Kapelle ein, die irgendwie an die berühmten Installationen von Mark Rothko erinnert. Solche Einflüsse, zu denen der Künstler sich bekennt, gereichen ihm nicht zum Nachteil. Das stille Berichten, die Aura, die so allzu schwer zu schaffen ist, hat er im Griff. Ich meine, diese Atmosphäre aufzubauen, könnte er sich auch leisten, ohne auf Etikette zurückzugreifen, wie etwa die Darstellungen von „Beinen“, die letztlich nur eine schöne leere, schwarze Fläche verdecken, somit gerade das stören, was wohltut.

Um in seiner eigenen persönlichen Tradition bleiben, in sympathischer Persistenz auf seinen inhaltlichen Stärken bestehen zu können, unternimmt Holger Herrmann das Risiko, mit anderen
Tätigkeiten sich finanziell über Wasser zu halten. So bedient er die aufdringlichen, ‚wichtigen’ Gäste in der verrauchten Szenenkneipe Sandsturm hinterm Tresen mal mit der geheimnisvollen Daniela, mal mit der bodenständigen Gaby.

Holger Herrmann stellt einen neuen Typus des Künstlers dar, der das Leben in all seinen Bereichen annimmt, und damit die so wichtige, belebende Synthese aus Heroischem und Alltäglichem immer wieder findet. Gerade dadurch wird er immer mehr zu dem, was so manche andere Kunstschaffende als Schmocks in Sachen Ästhetik durch modisches Mithalten auf dem banalen Tauschwertmarkt künstlerischer Haute Couture das vorzugeben beabsichtigen, was sie eben schon lange nicht mehr sind: ein Profi.