Ingrid Mössinger

Bildfolgen

Holger Herrmann ist zuerst Maler. Dem kultivierten Umgang mit Farben sind alle anderen bildnerischen Probleme untergeordnet. Holger Herrmann konzipiert farbig, nicht linear. Der Linie kommt in seiner Malerei eine nur untergeordnete Funktion zu. Sie fehlt als grafische Formbegrenzung und dient z. B. auch nicht als Mittel einer auf Achsen zurückführbaren Komposition.

Lineare Elemente werden nur eingesetzt, um die auf einzelnen Tafeln stattfindenden malerischen Ereignisse einander kompositorisch zu verbinden. Dazu gehören die linearen Begrenzungen der Farbträger selbst, dazwischengeschobene Leerflächenfelder und seit neuestem in den Raum ausgreifende Elemente wie weiß, schwarz, blau bemalte Stangen. Aber selbst bei ihnen spielt die Farbe eine dominante Rolle in Bezug auf die zugeordneten Bildtafeln.

Holger Herrmann begann - vor und während des Studiums an der Städelschule in Frankfurt am Main - zunächst gegenstandsfrei zu malen. Farbe in autonomer Funktion war ihm also von Beginn an angemessenes Ausdrucksmittel. Gegen Ende der sechziger Jahre wandte er sich auch der menschlichen Teilfigur zu und versuchte bevorzugt, Köpfe in seine Farbuntersuchungen zu integrieren. Inspiriert hierzu hatte ihn das in den Medien vermittelte Menschenbild. Hinzu kam die verschärfte Wahrnehmung des Einzelnen in der Großstadt.

Offensichtlich interessiert sich Holger Herrmann für den Menschen, so wie er ihn in der Großstadt wahrnimmt oder wie er über die Medien vermittelt wird, wo er meist nur noch zur abstrakten Nachricht reduziert erscheint. Gerade dieser Entzug des Vitalen durch das „Öffentlich-Machen“ von Personen scheint diesen Künstler zu faszinieren - Menschen aus Fleisch und Blut, die zum Phantombild gerinnen.

Für die Herausarbeitung dieses Aspekts erweist sich die Neigung von Holger Herrmann zum Kolorismus als adäquates Ausdrucksmittel. Denn zeichnerisch graphische Formen hätten den figürlichen Motiven eine nicht vorhandene und daher nicht beabsichtigte Schärfe der Aussage verschafft.