Die - zunächst inhaltlich bestimmbare - Un-Schärfe der Bilder erreicht Holger Herrmann vor allem durch rein malerische Mittel. Feinste Farbabtönungen, wie zum Beispiel innerhalb einer Skala von rothaltigen Grautönen, zwingen dem Betrachter genauestes Hinsehen ab. Un-Schärfe bedeutet hier also nicht ungenau etwa im Sinne von Verwischung, sondern ist Folge subtilsten, geradezu altmeisterlichen Kolorismus.

Holger Herrmann modelliert seine figürlichen Motive innerhalb eines Gesamttones und taucht sie in ein aus mehreren Malschichten bestehendes Farblichtkontinuum. Die Einheitlichkeit des Farbeindrucks stellt sich auf der Ebene der ähnlichen Farbtöne und der Helligkeitsstufen her. Kontrastfarben, wie zum Beispiel in der Arbeit „Ventre-Saint-Gris!", die das schwache optische Bild auf der Netzhaut zu einer scharfen Abbildung machen, sind bis jetzt die Ausnahme. Meist herrschen gebrochene Grau-Brauntöne vor, die in kaum unterscheidbaren, nebeneinander gesetzten Nuancen vibrieren.

Holger Herrmann begann zunächst mit einzelnen Tafelbildern, erweiterte diese nach und nach zu Bildreihen, die auch Leerräume in die Gesamtkomposition mit einschließen. Hierbei werden besondere - über das herkömmliche Bildbetrachten hinausgehende -Anforderungen an den Betrachter gestellt: Er muß sich erst ,,langsam - in zeitlicher Abfolge - optisch und räumlich orientieren, Nähe suchen oder Abstand wahren. Er kann die Tafelfolge kontinuierlich abschreiten oder eine Art rhythmischer Interpunktion vornehmen". Die Veränderungen und Verunsicherungen, die sich während des Betrachtens ergeben, sind in das künstlerische Konzept mit einbezogen.

Die hierin zum Ausdruck kommende Variabilität hat eine Ursache darin, daß Holger Herrmann gleichzeitig analytisch und sensuell vorgeht. Er zergliedert das traditionelle Tafelbild zuerst in - dem Aufbau nach - einzelne Bestandteile. Reine Farbflächen, Leerfelder, figürliche Elemente kommen je auf voneinander getrennten Tafeln zur Darstellung. Das lineare Element hat sich in Form der farbig bemalten Stangen sozusagen aus dem Bild heraus verselbständigt.