Dem Illusionismus dienende Aspekte wie Perspektive werden so gewissermaßen aus dem Bild herausgeholt und als Realteile hinzugefügt. Holger Herrmann analysiert damit den Typus Tafelbild und macht die formalen Bestandteile, aus denen es sich zusammensetzt, bewußt. Gleichzeitig fügt sich die Anordnung, vor allem mittels der Farbe, wieder zu einem einheitlichen und neuen Ganzen zusammen. Die Arbeiten Holger Herrmanns lassen also simultan eine analytische und synthetische Betrachtungsweise zu.

Die Anlage der Arbeit ,,Schwarz-Weiß" ist z. B. so, daß sie als Gesamtanordnung wie in ihren Einzelteilen - je nach Standort des Betrachters - Veränderungen unterliegt, sowohl was die Farbwirkung als auch, was die Gegenstandsdarstellung betrifft. Hier wird von vornherein die Rezeptionsleistung des Betrachters als Gestaltungsmittel mit eingeführt.

Holger Herrmann beschränkt sich nicht auf ein Einzelbild, sondern erweitert es zur Bildfolge: als Zwei- oder Mehrtafelbild in Reihung oder Kreuzform. Bildideen und Farbwirkung werden innerhalb eines Ensembles durchgespielt. Von Variante zu Variante verändert sich die Bildwirkung. Es entstehen modulare und serielle Ordnungen in tonaler und formaler Rhythmisierung. Die Entstehung der Werke vollzieht sich in einem dialogischen Wechsel von intuitiver Gestaltung und Reflexion.

Ingrid Mössinger

(in: Katalog „Holger Herrmann“,
Kunsthalle Darmstadt,
22. 1. – 4. 3. 1984)