Auch eine andere Szene, die Holger Herrmann im Sommer 2000 mehrfach in kleinformatigen Aquarellen thematisierte, ist einer zeitgleich mit Grünewalds Madonna entstandenen Altmeisterzeichnung entlehnt. Zu sehen ist eine größere männliche Person, die eine kleinere, aufbegehrende Gestalt nach links in Richtung Bildrand drängt. Als Symbol eines möglichen Ziels ist auf einer der Arbeiten ein Ausschnitt einer Postkarte mit der Darstellung des Speisesaals eines Heimes für psychisch Kranke, ein architektonisches Schmuckstück, zentral ins Bild zwischen die Protagonisten gesetzt. Auf einem anderen Blatt der Folge sind den Figuren Farbfelder und Begriffe zugeordnet. Folgt man den Erläuterungen entspringen beide Figuren der „Intuition“ des „Produzenten“, in diesem Falle des Künstlers. Es besteht unter ihnen eine augenfällige „Hierarchie“. Beide werden jedoch mit dem Begriff „Spieldose“ als nicht selbstbestimmte Wesen charakterisiert. Ihre Zusammengehörigkeit und dauerhafte Präsenz wird mit der Signalfarbe Gelb und den Begriffen „Feld, Aufmerksamkeit; Denkmal, Skulptur (Raum)“ unterstrichen. Gleichwohl lösen sich die beiden Formen im Laufe der Reihe auf, mutieren zu auch farblich kaum zu unterscheidenden Farbschleiern. Selbstverständlich steht es dem Rezipienten frei, die Werkreihe in einer anderen Abfolge zu lesen. Die Offenheit des Motivs zweier Figuren, die bereits in frühen Arbeiten wie „Figur und Supplement“ oder der „H.E.R.K.“- Serie angelegt ist, findet hier neue Protagonisten unterschiedlicher Seinszustände. In einer im Oktober 2000 begonnenen kleinen Serie von Aquarellen, die den Arbeitstitel „Bühnen“ trägt, setzen sich die Akteure in Bewegung. Vergleichbar den fotografischen Sequenzen von Eadweard Muybridge, in denen dieser in den späten siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts erstmals Bewegungsabläufe sichtbar machte, bewegen sich die Miniaturgestalten auf ein nicht näher definiertes Ziel, um am Ende kopfüber mäandrierend weiter zu laufen - Abbilder, die endlos von neuem abgespult werden können. Ein Ansatz, der eine Verwandtschaft zu zwei hauchdünnen, transparenten Chinapapieren aus dem Jahre 2001 aufweist, auf denen sich Figur an Figur aneinander reiht und durch graue und blaue Pinselspuren eine malerische Verbindung eingehen.