Kaum zu glauben und doch nur konsequent ist, dass kurz zuvor, ab etwa 1992 eine Serie von ebenso großen Hochformaten entstand, die mit pastosem Farbauftrag, sichtbarem Pinselduktus, Spuren von Bearbeitung mit einem scharfen Spachtel oder den Händen des Künstlers, die sich in die Farbe eingegraben haben, die Figur – man ist versucht zu sagen – zudecken wollten. Lediglich der Kopf ist bei vielen dieser vorwiegend in gelb und schwarz gehaltenen Werke sichtbar. Der Rest verschwindet im Dunkel der schwarzblauen, dichten Farbmasse. Sie verdeckt das Abbild und öffnet gleichzeitig den Blick auf die Textur. Der Schaffensprozess scheint oft zum Greifen nah, erhebt sich als Spur, als Nachklang aus der in der Ferne zum Schwarzton verstummenden Schicht.
Folgt man diesen dunklen Farbmysterien, begreift ihre sinnliche Präsenz, so nimmt es nicht Wunder, dass Holger Herrmann einmal mehr zu rein abstrakten Farbobjekten findet. Es entstehen zwei kleine Ölbilder „16. Januar 1994“ und „21. September 1995“, die die Farben Grau- beziehungsweise Ockergelb und Schwarz als Linien oder Punkte gleichwertig, spielerisch auf der Leinwand verteilen, was ihnen einen ausschnitthaften Charakter verleiht. Nicht die klassische Komposition ist es, die hier interessiert, sondern das individuelle Gewicht von Farbe als Hell- Dunkel-Kontrast und insbesondere die Textur. Spontaner und direkter wirken die im folgenden Jahr entstandenen kleinen Objekte. Wie zufällig ausgestrichen haftet auf gefundenem Holz sandige Substanz. Ockerfarbene und schwarze Masse bildet eine stark reliefierte Fläche auf ebenso rauem Grund. Möglicherweise sind die Substanzen Relikte von Malprozessen, die auf ihrem jetzigen Bildträger ein neues, objekthaftes Eigenleben entwickeln, das die Farbe als Material in den Vordergrund rückt. Im Jahre 2000 nimmt Holger Herrmann das Experiment Farbe von neuem auf. In noch kleineren quadratischen Objekten konzentriert er sich auf das Zusammenspiel von Fläche und unterschiedlichsten Strukturen. Geglättet, gepresst, mit mehr oder minder starkem Reliefcharakter verändern die Tafeln ihr Erscheinungsbild im Miteinander genauso wie der Betrachter beim Abschreiten die Wirkung des unterschiedlich reflektierten Lichtes auf der Oberfläche erfährt. |