Mit dieser vollständig verinnerlichten Haltung des Künstlers bei der Arbeit hat sich Holger Herrmann auf seine Weise von der abbildenden Möglichkeit weitestgehend gelöst und eine fast absurde Position geschaffen: Mit einer jedem Betrachter eingängigen Form hat er einen größtmöglichen Rahmen oder ein der Realität entlehntes Gerüst für eine so abstrakte wie spontane Herangehensweise an Linien, Flächen, Gesten sowie kontrollierte und autonome Farbverläufe gefunden. Zuweilen dringt der Künstler, der die Begrenzung als Impetus so offensichtlich braucht, im Arbeiten mit der Farbe über die Ränder der Leinwand, um diese in der Folge von ihrem starren Keilrahmen zu lösen und sie wie Tücher oder Papiere als Ganzes bis an die äußersten Ränder zu präsentieren. Im Verlauf der Fortentwicklung seiner Figur experimentiert Holger Herrmann mit einer Substanz aus Champagnerkreide, Leinöl und Terpentin, in die er im noch nassen Zustand seine Linien mit dem Graphit- oder Kreidestift einschreibt. Auf anderen Bildträgern führt er stark farbige, mit Öl und Acryl gemalte Flächen mit der linearen Struktur des Graphitstiftes zusammen, die einerseits die Figur konkretisieren, sich andererseits als graphische Elemente zu Binnenzeichnungen verselbstständigen und in ihrem Verlauf wie zufällig Flächen miteinander verbinden. In kleinformatigen Papierarbeiten antwortet die Figur auf beiläufig gefundene, bedruckte Seiten mit Schrift oder arabesken Bildmustern, die den Fond für die Zeichnungen bilden. Frei nach Novalis’ Heinrich von Ofterdingen scheint die gebückte Gestalt inmitten der Zeichnung ihre „blaue Blume“ gefunden zu haben und an dieser fragilen Nahtstelle die schöpferische Verbindung zwischen Bildgrund und Darstellung eingegangen zu sein. |