Ein weiterer Schritt auf dem Feld der Erforschung der Figur als Kompendium von malerischen Möglichkeiten ist getan. Fern jeder rein abbildenden Funktion werden an der durch ihre Geschichte gleichsam erhabenen Gestalt Wirkung und Gewicht linearer Strukturen konsequent ausgelotet. Energie und Härte des Strichs finden ihre Ergänzung in den Schwarz-Weiß-Kontrasten ebenso wie in der Verwobenheit der Figuren oder dem Dialog zwischen abstrakten und figurativen Elementen eines Bildes. Erst mit ihrem wie auch immer gelagerten Partner finden die Körper als Einheit ihre Existenzberechtigung im Werk. Nahezu leicht und fast spielerisch wirken die drei neuesten Radierungen aus dem Jahre 2002. Sehr offen wirkt das auseinanderstrebende Figurenpaar eines Blattes. Charakteristisch für die beiden anderen Abzüge sind feine Differenzierungen und spielerische Experimente, die den kräftigen Strich der Kaltnadel nuancieren und diesen mit den Spuren der harten Einschnitte eines Beiles kombinieren, das hier parallel zum herkömmlichen Radierwerkzeug Verwendung fand. Auffallend an diesen graphischen Paarungen ist die Hinzufügung einer dritten beziehungsweise vierten Figur als weiterführende „Supplemente“. In der Überlagerung und Staffelung der Körper wird eine neue Form der Bewegung und damit ein zeitlicher Verlauf ins Bild geführt, der Erinnerungen an filmische Sequenzen wachruft, die sich bei der Betrachtung des erwähnten, zwanzig Jahre zuvor entstandenen Gemäldes
„Schwarz-Weiß (Für R.)“ einstellten.

Seit etwa einem Jahrzehnt reibt sich Holger Herrmann an der menschlichen Figur, sucht sie immer neu zu fassen und sie sowohl mit malerischen als auch graphischen Mitteln zu befragen. Aus den zu Anfang kopfüber, kopfunter oder horizontal angeordneten Körpern der H.E.R.K.-Variationen entwickelt sich eine gebeugte Gestalt, die in ihrer Haltung nicht zufällig an den Maler beim Malen erinnert. Eine großformatige Studie aus dem Jahre 1988 kann als Inkunabel für diese Formfindung gesehen werden, die Anlass und Motiv in einer so einfachen wie konsequenten Geste zu einer Einheit zusammenführt. Sie zeigt mit wenigen, locker gesetzten Tuschelinien eine Person, in deren auf den Boden gerichteter linker Hand der Umriss eines Papiers zu erkennen ist. Vielleicht ist dieses Detail auch bereits Teil eines Werkes, auf dem der Maler im Schaffensprozess zu stehen kommt. Fußspuren auf so manchen der Leinwände verraten dergleichen Aktionismus beim Malen.