Das Experimentieren mit Farbe auf zumeist gefundenen Holzteilen steht der Malerei oder Zeichnung auf Leinwand und Papier in keiner Weise nach. Im Gegenteil, beide Herangehensweisen ergänzen einander auf dem einmal eingeschlagenen künstlerischen Pfad. Je nach Intuition und nicht selten auch angeregt durch die aktuelle Lektüre verfestigt sich teigige Farbmasse zur freien Form oder gerinnt die Linie zur menschlichen Gestalt. In den Schwarztönen und aufgeworfenen Graten der Kaltnadelradierungen spiegelt sich das extensive, kraftraubende Bearbeiten größtmöglicher Druckplatten. Drei kleinformatige, objekthafte „Atembilder“ entstehen, indem mit der Hand die Farbmassen sanft ausgestrichen werden. Großformatige Tafelbilder und Radierungen fordern den Einsatz des ganzen Körpers. Ihr Maß richtet sich nach dem Radius, der beim Malen mit der Körpergröße und der Reichweite der Armlänge zu bewältigen ist. Da die gängige Plattengröße diesen Dimensionen nicht entspricht, werden häufig zwei nebeneinander liegende Platten bearbeitet und die Drucke zu einem Bildpaar zusammengefügt. Auf diese Weise spiegelt sich auch in der Abmessung einer Arbeit deren Entstehungsprozess.
Den Malakt als gebündelte Energie, die der Körper mehr denn der Geist kontrolliert und auf die Bildfläche überträgt, thematisiert Holger Herrmann mit einer Serie von Ölbildern und Radierungen Ende der achtziger Jahre. Ein Lichtstrahl oder Band verlässt in diesen Werken die Figur und verbindet sie auf anderen mit ihrem Pendant. Die Figur wird verdoppelt, findet im Bild ihr „Supplement“, wie der Künstler eine Folge jener Phase um 1988 benennt. Vor allem in den Kaltnadelradierungen prallen fast schwarze, undurchdringliche Körper auf lichte, zart umrissene Figuren. Ihre dynamische Bewegung, ihr Gegeneinander und Miteinander vereinen sich zum Bildgefüge. Aus diesen kraftvollen Aktdarstellungen entsteht bald die „H.E.R.K.“- Figur als Symbol des unbesiegbaren, kraftvollen Handelns, wie der Hinweis auf Herkules als sagenhaften Helden der griechischen Mythologie verrät. Mit diesem Verweis auf die Antike wird die Gestalt darüber hinaus stilisiert, weiter entindividualisiert, wird zur Formel für fast klassisch anmutende Studien. Auch auf der Leinwand finden Figur und kraftvolle, reine Malerei zu einer neuen Symbiose. Nur mit einem schwarzen Pinselstrich umrissen behauptet sich die Figur auf einem Gemälde aus dem Jahre 1988 auf der rechten gegenüber der expressiven reinen Farbigkeit der linken Bildhälfte.
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