Im Jahre 1986 entstand ein weiteres Gemälde, das diesen nur scheinbaren Widerspruch erneut thematisiert. Ein kopfloser Rückenakt steht mit kraftvoll angespanntem Körper mit dem linken Bein fest auf gelbem Grund und zielt oder stößt mit dem ausgestreckten rechten an dessen Grenze, während eine bräunlichrot bis in dumpfes Rosa schillernde, dichte Farbmasse bereits sein Haupt verschluckt hat. Wunderbar locker-pastos gemalte Flächen, reine Peinture, die den Bildraum horizontal gliedert, trifft auf den hellen, linear strukturierten Körper, dessen grau-weiße Tonigkeit wie eine Auslassung, eine leere Stelle in der malerischen Struktur des hochformatigen Bildes wirkt – ein spielerisch-ironischer Kommentar zum Thema, das „Der Spaziergänger“ bereits auf andere Weise verdeutlicht hat. Auch hier ist die Verbindung von Malerei und Figuration möglich geworden und der Betrachter darf sicher sein, dass die von Holger Herrmann geschaffene Figur hinter der malerischen Raffinesse bereits neue Etappenziele des verzweigten und vielschichtigen Oeuvres erkannt hat.

Wie Linie und Farbe als primäre Formen künstlerischer Ausdrucksweise stehen auch die Gattungen Zeichnung, Druckgraphik und Malerei als gleichberechtigte Mittel seiner bildnerischen Sprache nebeneinander. Gleichsam als Demonstration dieser Wertschätzung all seiner künstlerischen Äußerungen als Teilansichten oder Einsichten eines prozessualen Werkes hingen in der jüngsten Ausstellung4 großformatige Leinwände, Radierungen und Holzschnittfolgen gleichwertig neben Gruppen von DIN-A4-großen, notizengleichen Papieren. „Reflexionen“ nennt Holger Herrmann jene Blätter, in denen er fast paradigmatisch dem künstlerischen Akt als Zusammentreffen von Idee, Ort und Werkstück nachgeht, ihn schematisiert und mit subtiler Ironie den Alltag in Form von Milchkaffee, Olivenpaste und anderen auf diesen Papieren fein säuberlich dokumentierten Ingredienzien einfließen lässt.