„Je differenzierter das Gefühl arbeitet, desto weiter wird es in die Exaktheit vorstoßen und ohne Zuhilfenahme von Maß und Messung das Bild bis zur letzten Form verdichten“, kommentierte einst Oskar Schlemmer3 den Malakt als Gratwanderung zwischen irrationalen Triebkräften und kontrolliertem Wissen. Dieser Idee stetig folgend wird die Figur einmal präzise erfasst, um sie im folgenden Blatt nur mehr als Fragment oder vage Ahnung aufscheinen zu lassen.
Holger Herrmann begann seine künstlerische Laufbahn Anfang der sechziger Jahre mit abstrakten, fast kalligraphisch anmutenden Lithographien, die eine Verwandtschaft zu informellen und tachistischen Tendenzen dieser Zeit aufweisen. Schon hier zeigt sich seine Fähigkeit, zeichenhafte Chiffren mit ebenso spontaner wie kontrollierter Gestik zu entwerfen. Diesem betont individualistischen Ansatz folgten malerische Kompositionen, die vergleichbar einer Collage, farbige Flächen und flächige Linien zu einem bewegten Miteinander auf der Leinwand oder dem Papier verbinden. Charakteristisch für diese frühen Zeichnungen und Gemälde ist das Moment der Bewegung, das bis heute eine tragende Rolle im Werk des Künstlers spielt.
Nach dem Studium an der Städelschule in Frankfurt am Main erfuhr Holger Herrmann eine prägende Zeit an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, wo er 1971 in die Klasse von Franz Erhard Walther aufgenommen wurde. Wie viele Künstler seiner Generation war auch Holger Herrmann beeindruckt von dessen damals viel diskutiertem erweitertem Werkbegriff, der mit seinen ab 1963 entstandenen „Werksätzen“ den Menschen in der Person des aktiven und in der Konsequenz das Werk mitkonstituierenden Betrachters in seine Installationen einbezieht und Begriffe wie Handlung sowie prozessuales, räumlich-plastisches Arbeiten ebenso sinnlich wie individuell erfahrbar werden ließ. Dennoch bleibt das Tafelbild weiter bestimmend im Werk
Holger Herrmanns.
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