Wenn auf dem Weg zwischen dem Ich, das etwas kann, und dem Handwerk, das gekonnt wird, etwas verloren geht, so war es nicht viel wert. Inneres spricht, sobald es etwas zu sagen
hat,
immer Äußerung; nun sprechen sie beide voneinander.
Ernst Bloch1
Dr. Birgit Möckel
Der Spaziergänger
Durch die Figur zum autonomen Bild
Zu den Arbeiten von Holger Herrmann
„Während ich arbeite (...) bin ich mehr Aktion als ein reflektierender Mensch“2 , erläutert Holger Herrmann den Entstehungsprozess seiner Arbeiten. Unabhängig davon, ob dieses temperamentvolle künstlerische Schaffen in ein figuratives Werk mündet oder sich als abstraktes Bild äußert, immer entwickeln sich die Linien und Farbstrukturen aus einem spontanen Handlungsablauf. Selbst die beständig wiederkehrende Darstellung der menschlichen Figur folgt nur am Rande rationalem Kalkül. So paradox es zunächst klingen mag, gerade diese kontinuierliche Befragung des menschlichen Körpers als Motiv, auf das er immer neu zurückkommt, erlaubt es Holger Herrmann, rein intuitive, sinnliche Empfindungen mit einer mehr oder weniger abstrahierenden, abbildenden Bildsprache zu vereinen.
Der Umriss einer Gestalt setzt dem Künstler lediglich äußere Grenzen. Das vorgegebene Thema diszipliniert den Strich und setzt doch gleichzeitig Energien frei, wie es solchermaßen nur eine vollständig verinnerlichte Form erlaubt, die – von der Konzentration auf das bestens bekannte Motiv befreit – eine neue, von der Figur losgelöste Sicht auf die Linien und die sie umschließenden Flächen und Zwischenräume als abstrakte Bildfindungen eröffnet. So folgt die Bewegung beim Malen oder Zeichnen völlig autonom plötzlich aufscheinenden Spuren. Flächen und Linien fordern den Dialog, verunklären oder verdecken einander, verknüpfen oder vermehren sich und öffnen neue Fragen. Etliches wird verworfen, zerstört, manches neu zusammen gesetzt und überarbeitet bis das authentische Werk nach einem langen Weg seine Existenzberechtigung gefunden hat, um letztendlich als Teil einer kleineren oder größeren Serie eine von vielen möglichen Antworten zu sein, die in ihren Schichten weitere, produktive Zweifel birgt.
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