Man muß schon sehr genau schauen, um den Nuancenreichtum zu erkennen. Die Protagonisten bewegen sich mal nach rechts, mal nach links, zeigen ihren Umriß, ihre Bild-Fläche, Zwischenräume, Leerstellen. Sie sind in Gruppen zusammengestellt, verdichtet, bewegt, zuweilen gar gedoppelt durch das Übereinanderhängen zweier Schichten. Einmal besetzen sie ein ganzes Blatt, sind durch querlaufende Farbbahnen voneinander getrennt oder mit einem farblich akzentuierten Feld hinterfangen. Dann begegnen sie uns wieder vereinzelt, zarter, stiller und konzentrierter. Kurz, in diesem „Défilé“ vermittelt sich das ganze Spektrum, aus dem ein Abbild geschaffen wird. Es vermittelt sich Leere, Fülle, Abstraktes, Figuratives.

Ein immenses Vokabular künstlerischer, insbesondere graphischer Möglichkeiten breitet sich vor unseren Augen aus. Ein Universum „ohne Anfang, ohne Ende“, das uns – einmal eingetreten - immer neu in seinen Bann ziehen wird.

Wie gesagt, diese Figuren kennen „keinen Anfang, kein Ende“, vergleichbar jenem nächtlichen
Spaziergänger, der uns in dem genannten, fast expressionistischem und doch leisen poetischen
Stimmungsbild literarisch entgegentritt, das Sie, verehrte Besucher, wie zu Beginn erwähnt, hier im
schmalen Flur empfangen hat.

„Ohne Vorhaben und Erwartung“ folgt der darin beschriebene Flaneur weniger den im Text genannten Philosophen Leibniz, Schleiermacher, Schopenhauer, als schlicht den nach ihnen benannten Straßen des Frankfurter Nordends und den Erscheinungen, die sich beim Blick nach unten auf das Trottoir auftun: „Da / sind stumpfe Texturen trockene Stellen / Glanz Pfützen / Streulicht / Lichtkegel die / kaum wahrnehmbar / die Dunkelheit vom Schwarz trennen – / Kein Anfang kein Ende„ - so lesen wir in kurzen und längeren Zeilen, um unvermittelt auf der Hälfte der Textpassage auf deren Spiegelung zu stoßen. Parallel zum fortlaufenden „Défilé“ der hier um uns versammelten Figuren und Figurenfragmente begegnet uns auf diesem Textstreifen eine parallel laufende Gedankenwelt, die sich mit der hier dargestellten „Défilé“ verwebt.

Dr. Birgit Möckel
Berlin
(Eröffnung Kunstforum Flörsheim, Mai 2006)